Wissen aus Erkenntnis
Über die Homöopathie ist schon viel geschrieben worden – Gutes wie Schlechtes. Doch was ist dran, an der großen Kraft der kleinen Kügelchen? Funktioniert die Homöopathie wirklich? Und wenn ja, wie funktioniert sie?
Die erste Antwort ist: »Ja«, sie funktioniert. Die Antwort auf die zweite Frage gestaltet sich ein wenig komplizierter, basiert doch die Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel auf Prinzipien, die wissenschaftlich nicht nachweisbar sind. Eines der wichtigsten Grundprinzipien der Homöopathie ist das Gesetz der Ähnlichkeit. Hiermit gelingen oft verblüffende Heilungen. Als eines der wichtigsten Grundlagen der Klassischen Homöopathie sei es hier kurz vorgestellt. Allerdings nicht, ohne darauf hinzuweisen, daß das Prinzip der Ähnlichkeit bei weitem nicht immer ausreichend ist. In der Homöopathie gibt es heute viele ernstzunehmende und weit über das Ähnlichkeitsprinzip hinausgehende Ansätze, deren Darstellung den Rahmen dieser website sprengen würde, die aber bei der Behandlung meiner Patienten gerade in Bezug auf den psychodynamischen Aspekt von Krankheitsentstehung vielfach zur Anwendung kommen.
»Die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche«
F.W. Bernstein
Kritiker der Homöopathie bemängeln u.a., daß das Gesetz der Ähnlichkeit seine Erklärung allein in der Erfahrungswissenschaft findet. Das heißt, die Homöopathie basiert vor allem auf den Methoden des Beobachtens und Erkennens. Doch was ist falsch am Beobachten und Erkennen? Und sind nicht unsere Erfahrungen und die Lehren, die wir daraus ziehen ganz besonders beachtenswert?
Das Gesetz der Ähnlichkeit
Ein grundlegendes Prinzip zur Erklärung der Wirkungsweise der Homöopathie ist das Prinzip der heilenden Ähnlichkeit. »Similia similibus curantur« (»Das Ähnliche ist seinem Ähnlichen heilsam«). Doch was bedeutet das? Daß das, was das Übel hervorgerufen hat, durch etwas ihm in seinem Wesen ähnlichem geheilt werden kann. Mit und ohne Arznei.
Nehmen Sie zum Beispiel die Küchenzwiebel. Bei machen Menschen reizt sie schon beim Schälen oder Schneiden die Schleimhäute und kann bei Genuß auch noch so manches andere Symptom hervorrufen. Das entsprechende Heilmittel in der Homöopathie wäre hier allium cepa L. (die Sommerzwiebel) – die Urtinktur von allium cepa wird aus frischen Blattscheiden und der Zwiebel hergestellt. Allium Cepa wird als homöopathisches Heilmittel vor allem bei Erkältungen des Kopfes mit scharfen, wäßrigen, beißenden Absonderungen aus der Nase und brennenden Augen bei mildem Tränenfluß eingesetzt (ähnliche Symptome werden eben auch durch Zwiebelschneiden hervorgerufen). Darüber hinaus hat dieses Mittel als Akutmittel noch viele andere Anwendungsgebiet. Zuweilen wird es auch gegen Bauchkoliken in Verbindung mit Erkältung eingesetzt. Aber nicht jede Erkältung oder jedes Bauchgrimmen sind gleich. Deshalb gilt es hier, wie in jedem Fall, ein Mittel zu finden, das der Gesamtsymptomatik des Patienten am ehesten entspricht. Hierzu gibt es die zahlreichen unterschiedlichen Arzneimittelbilder. Sie wurden und werden anhand von sogenannten Arneimittelprüfungen an »gesunden« Probanden ermittelt.
Das Prinzip der heilenden Ähnlichkeit bedeutet nämlich auch, daß jede Substanz aus dem Pflanzen-, Tier- oder Mineralreich bis hin zu den Metallen, die in einer Überdosierung bei einem gesunden Lebewesen Symptome erzeugen, in verdünnter und potenzierter Form (Verdünnen und Potenzieren sind weitere Grundprinzipien der Homöopathie) bei einem kranken Lebewesen ähnliche Symptome wieder zum Abklingen oder Ausheilen bringen. Dieses Prinzip macht man sich bei der Arzneimittelprüfung homöopathischer Substanzen zunutze. Das heißt, man gibt gesunden Probanten über einen gewissen Zeitraum in bestimmter Wiederholung und Potenz und meist als Blindversuch eine homöopathisch aufbereitete Substanz und sammelt und kategorisiert dann alle Symptome, die unter der Einnahme auftreten. Dabei betrachtet die Homöopathie auf der Suche nach ähnlichen Prinzipien nicht nur einzelne Körper-Symptome, sondern den Menschen in seiner Ganzheit aus Körper, Geist (Psyche) und Seele.
Homöopathische Arzneimittel wirken dann besonders gut, wenn der Ähnlichkeitsregel bestmöglich Genüge getan wird. Um das zu erreichen, ist es wichtig, sich ein umfassendes Bild von dem Zustand des Patienten und dem Prozess der Krankheitsentstehung zu machen. Gute Zusammenarbeit ist hier die beste Voraussetzung.
Die Anamnese
So gehen wir der Sache auf den Grund
Der klassisch homöopatisch arbeitende Therapeut ist ein Meisterdetektiv seines Faches. Auf dem Weg zum richtigen Similie verfolgt er jede für manchen noch so unscheinbare Spur: Essgewohnheiten, Schlafgewohnheiten, Schwitzen, Frieren, Lachen, Weinen, wann, wo und wieso, wie wird es besser, wann wird es schlechter, zwickt es, brennt es, kneift es, wie ist der familiäre Hintergrund, wie ist die Beziehung des Menschen zu seiner Umwelt und wie reagiert der Organismus darauf – das alles ist für die homöopathische Anamnese von großer Bedeutung. Wichtig sind also nicht nur die ähnlichen Symptome, sondern auch die zahlreichen unterschiedlichen Reaktionssformen, in denen die Krankheit im Organismus zum Ausdruck kommt (hier spricht man auch vom »miasmatischen« Hintergrund). Geistes-, Gemüts-, Sinnes-, Funktions- und Körperstörungen – alle Symptome, die ein kranker Mensch zeigt, werden ihrem Wert nach geordnet und klassifiziert. So entsteht ein genaues Bild des bestehenden Ungleichgewichtes, und das homöopathische Arzneimittel wird in größtmöglicher Übereinstimmung mit dem gesamten Erscheinungsbild des jeweiligen Patienten ausgewählt.
Die Diagnose
Die Diagnose ist das Mittel selbst
Die homöopathische Diagnose basiert auf der Auswertung einer gründlich durchgeführten Anamnese – wenn vorhanden, unter Einbeziehung von allopathischen Diagnosen, Laborbefunden etc. – mit dem Ziel, den Zustand des Patienten in seiner Ganzheit zu erfassen und das dazu bestmöglich übereinstimmende Arzneimittel zu finden. Man könnte fast sagen, in der Homöopathie ist die Diagnose das Arzneimittel selbst.
Dabei verändert sich im Laufe einer Behandlung nicht selten das Arzneimittelbild mit der jeweiligen Mittelgabe. Das ist im Verlauf eines Heilungsprozesses durchaus erstrebenswert.
Die Therapie
Auch hier gilt »Beobachten und Erkennen«
Die homöopathische Therapie besteht in der Regel in der ein- oder mehrmaligen Gabe eines oder auch mehrerer gut gewählter Pharmaka (homöopathisches Arzneimittel) über einen bestimmten Zeitraum hinweg in ggf. unterschiedlichen meist ansteigenden Potenzen. Dabei ist zu jeder Zeit der Behandlung die besondere Mitarbeit des Patienten gefragt. Dieser ist angehalten, sich selbst zu beobachten. Was verändert sich, wo verschwinden Symptome und wo tauchen ggf. neue auf. Vielleicht melden sich ja auch »alte Bekannte«, um sich dann möglicherweise für immer zu verabschieden.Womöglich treten Dinge an die Oberfläche (z.B. die Haut), die vorher im Verborgenen (z. B. im Darm) wüteten. Vieles ist möglich im Laufe einer homöopathischen Behandlung. Deshalb ist es hilfreich, sich Notizen zu machen über das, was nach der Mittelgabe an Veränderungen wahrgenommen werden kann, sowohl auf der körperlichen Ebene als auch auf der Ebene der Psyche. Auch Träume können wichtige Hinweise sein. Die Veränderungen (oder auch Nicht-Veränderungen) geben dem Behandelnden Aufschluss über die weitere Vorgehensweise. Die enge Mitarbeit des Patienten trägt viel zur Wahl des richtigen Mittels und somit zur Genesung bei.
Sind die äußeren Einflüsse – das heißt, auch die emotionalen und vererbten Einflüsse – stärker als die Widerstandskraft des Organismus, so wird das Gleichgewicht des Menschen gestört. In Folge entstehen gewisse Zeichen und Symptome, die sich entweder auf körperlicher, seelischer oder geistiger Ebene oder auf mehreren Ebenen gleichzeitig bemerkbar machen. Krankheit heißt in diesem Fall eine Störung oder Verstimmung der Lebenskraft, wobei die Symptome des Patienten als Hilferufe und Warnzeichen des Organismus zu verstehen sind. Sie sind Signale oder Signalverstärker, die uns anzeigen, daß etwas nicht in Ordnung ist.
Wie die Warnanzeiger im Auto, zeigen sie uns zum Beispiel einen immer wiederkehrenden Ölverlust an. Nun, manch einer ignoriert das kleine Lämpchen, manch einer schraubt einfach die Birne raus. Einige füllen immer wieder Öl nach. Der ein oder andere aber macht sich auf die Suche, um heraus zu bekommen, warum das Öl verloren geht.
Die Wirkung
Homöopathie hilft heilen
Homöopathie hilft, indem sie die Selbstheilungskräfte des Organismus anregt. Die homöopathische Arznei wirkt dabei als Katalysator der Heilung, denn sie bringt auf unterschiedlichen Ebene die gestörte Lebensenergie wieder in Schwung. Wie schon oft, helfen also auch hier die Schätze der Natur dem Menschen, sein inneres Gleichgewicht wieder zu finden.
Therapeuten, die mit Homöopathie arbeiten sind oft selbst immer wieder erstaunt darüber, wie »geistartig gemachte Wirkung der Arznei« sich im Einzelfall entwickelt. Zu ihren Patienten gehören nicht selten sogenannte »austherapierte Fälle«. Die Erwartung an den Homöopathen sind meistens sehr hoch. Die Zeit ist wie immer knapp und Geduld auch hier eine Tugend. Doch so wie die Krankheit sich entwickelt, geschieht oft auch deren Heilung. Nur im homöopathischen Prozess nicht selten entgegen gesetzt der Entstehungsgeschichte, das heißt zum Beispiel in umgekehrter Reihenfolge des zeitlichen Auftretens der Symptome. Aber auch, wenn es einige Beobachtung darüber gibt, wie sich die Symptomatik unter einer homöopathischen Behandlung im einzelnen auflöst, ist doch jeder Heilungsprozess verschieden und kann nur erahnt aber niemals vorausgesehen werden.
»Samuel Hahnemann, der Begründer der Klassischen Homöopathie, wie wir sie heute kennen und praktizieren, sprach von der »geistartig gemachten Wirkung der Arznei«. Darunter verstehen wir in Fraktionen verdünnte und durch rhythmische Verschüttelung potenzierte Heilstoffe, die durch diese Prozeduren ihrer giftigen Wirkung beraubt sind und so zu hochwirksamen Arzneien werden«
Peter Raba
Kleiner Exkurs für geneigte Leser
»Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist« David Ben Gurion
In einem hochinteressanten Buch mit dem Titel »Das egoistische Gehirn« steht zum Thema »Glücksgefühle« in etwa Folgendes geschrieben: »Wie entstehen eigentlich Gefühle des Glücks? Ein Beispiel: Nach ihrer Scheidung fühlt sich Frau M. einsam. Sie hat keine Freundin, mit der sie sich austauschen kann, Freundschaften schließen fiel ihr schon immer schwer, sie weiß eigentlich gar nicht, wie man mit Freundinnen umgeht … Sie beschließt, in Urlaub zu fahren. Dort lernt sie eine Frau kennen, der geht es ähnlich. (»Similia similibus curantur«) Die beiden tauschen sich aus und schließen Freundschaft. Sie empfinden Glücksgefühle. Und jetzt kommt die wissenschaftliche Erklärung: »Auf neurobiologischer Ebene wird der Erfolgsbotenstoff Dopamin in der Amygdala, dem Hippocampus und einem weiteren Areal, dem Nukleus Accumbens, vermehrt freigesetzt. Das löst die uns allen bekannten Glücksgefühle aus (…) Dabei spielt ein ähnliches Rezeptoren-Paar (…) im menschlichen Gehirn eine Rolle, wie wir es für die Kortisol- und de Temperaturrezeptoren der Pantoffeltierchen schon kennen: nämlich der D1- und der D2-Dopamin-Rezeptor. Im unerwarteten Fall der neuen Freundschaft wird der D1, der erst im Hoch-Dopamin-Bereich anspringt, im Gehirn aktiviert, es stellt sich ein Hochgefühl des Glücks ein.« (»Das egoistische Gehirn« Achim Peters)
Schön und gut, aber ist das wirklich alles? Oder gibt es noch mehr? Und wie steht es zum Beispiel mit dem großen Thema Liebe? Letztendlich ist auch die Liebe nichts anderes, als ein Glaubensbekenntnis. Aber ist sie deshalb weniger wirksam?
Medizin der Zukunft
Wie wäre es denn integral?
Homöopathie findet weltweit Verbreitung und wird heute in über 80zig Ländern der Erde eingesetzt. In Europa, Indien, Südamerika und Pakistan gibt es ausgezeichnete Kliniken und Universitäten, deren Lehren und Handeln allein auf homöopathischen Wissen basieren. Dabei sollte sich auch die Homöopathie niemals als allein selig machendes Prinzip verstehen. Ein Austausch und eine Zusammenarbeit mit anderen medizinischen Disziplinen ist absolut erstrebenswert. Schließlich sollten ja alle Heil-Weisen im Dienste des Lebens und somit das gleiche Ziel verfolgen. Ein offener, produktiver und zugeneigter Austausch unterschiedlicher Disziplinen ist deshalb gerade auch auf dem medizinischen Sektor hoffnungsvoll und wünschenswert. Eine integrale Medizin könnte für mich die Heil-Weise der Zukunft sein.